Baum, dessen eine Hälfte verdorrt ist,  auf der Grenze zwischen grüner Vegetation links und Wüste rechts.

Die Rail Power Systems GmbH hat aufgerüstet: In den Erste-Hilfe-Koffern liegt neben Kompressen, Verbänden und Augen-Sofortspülung seit einiger Zeit eine Zeckenkarte. Denn die Blutsauger, die Krankheiten übertragen können, gibt es mittlerweile in ganz Deutschland. „Wir spüren den Klimawandel unmittelbar, weil die meisten unserer Leute immer im Freien arbeiten“, sagt Reiner Deckers, Fachkraft für Arbeitssicherheit. Mehr Schutz vor Regen, Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50, kostenlose Getränke – das alles gehört bereits zum Arbeitsschutzprogramm des Fahrleitungsbauunternehmens. „Und jetzt haben wir unsere Mitarbeitenden über den Betriebsarzt geschult, wie man mit Zecken umgeht.“

Krankheitserreger auf dem Vormarsch

Klimawandel bedeutet nicht nur mehr Hitze und mehr Starkregen. Er schafft auch in Mitteleuropa bessere Lebensbedingungen für Zecken, Mücken, Schimmelpilze, Viren. Höhere UV-Strahlung und Ozon-Konzentration wirken zudem negativ auf die Produktivität und die Gesundheit der Mitarbeitenden. Die Weltgesundheitsorganisation nennt den Klimawandel „die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit“.

Bis Ende des Jahrhunderts werden in Deutschland wegen des Klimawandels Atemwegserkrankungen, Migräneattacken, psychische Erkrankungen, rheumatische Beschwerden sowie die hitzebedingte Sterblichkeit durch Herzinfarkt oder Schlaganfall um den Faktor drei bis fünf zunehmen. Das besagen Studien, die das Bundesumweltministerium 2018 vorlegte. Hinzu kommt: Hitze und Schwüle stressen und erhöhen die Gefahr von Arbeitsunfällen.

2017 empfahl das Bundesumweltministerium den Kommunen, Hitzeaktionspläne zu erstellen. Im Juli 2023 kündigte das Bundesgesundheitsministerium an, gemeinsam mit Akteuren auf Landes- und kommunaler Ebene einen Hitzeschutzplan für Gesundheit zu etablieren – einen solchen Plan gibt es in Frankreich bereits seit 2004. Ziele der deutschen Initiative sind unter anderem: die Bevölkerung zu informieren, wie man sich bei Hitzewellen schützt, Todesfälle zu vermeiden und Krankheitsverläufe zu mildern, Interventions- und Kommunikationskaskaden auszulösen sowie die Forschung zu verstärken und deren Ergebnisse zu verbreiten.

Handlungsfeld für den Arbeitsschutz

In der Arbeitswelt ist das Bewusstsein vorhanden, dass gehandelt werden muss. Eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2022 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unter Beschäftigten von mehr als 20 Branchen ergab: Etwa 43 Prozent der Führungskräfte sagten, dass der Klimawandel bereits Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und Tätigkeiten in ihren Betrieben habe und sich ihre Unternehmen mit den Konsequenzen für sicheres und gesundes Arbeiten beschäftigt hätten. Unter allen Beschäftigten schätzten das nur rund ein Drittel so ein. Das wichtigste Handlungsfeld, so 62,2 Prozent der Befragten, sei Hitze in Innenräumen, gefolgt von Hitze bei Arbeit im Freien (49,3 Prozent). Rund ein Drittel der 1.000 Befragten fand auch den Schutz vor Krankheitserregern wichtig.

Hitze befördert Fehler

„Auf die Risiken des Klimawandels für die Beschäftigten einzugehen, gehört bereits jetzt zur Gefährdungsbeurteilung“, sagt Dr. Thomas Alexander, Fachbereichsleiter bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und Co-Autor der 2022 veröffentlichten BAuA-Studie „Klimawandel und Arbeitsschutz“. Die Arbeitsschutzregelungen, die in Deutschland mit dem Arbeitsschutzgesetz oder gemäß der Arbeitsstättenverordnung gelten, hält er auch in Zeiten des Klimawandels für gut und wichtig. Allerdings seien Prüfungen und gegebenenfalls Aktualisierungen notwendig.

Beispiel Gebäudeausstattung: Hallen in Leichtbauweise sind meist schlecht gedämmt, auch viele Bürogebäude mit großen Glasfronten können sich schnell aufheizen. Nachrüstung ist teuer. „Wir sollten dennoch praktikable technische Lösungen möglichst schon in der Planung anstreben und dann erst organisatorische und personenbezogene. Das ist effektiver und nachhaltiger“, sagt Alexander. „Bei hohen Temperaturen sind die Menschen unproduktiv, unkonzentriert und machen Fehler am Arbeitsplatz. Unternehmerinnen und Unternehmer gehen also ein hohes Risiko ein, wenn sie im Betrieb nicht in technische Maßnahmen investieren. Das haben die meisten erkannt.“

Mehrere Angebote kombinieren

Wenn Menschen viel im Freien arbeiten, müssen meist mehrere Angebote ineinander greifen, damit sie effektiv sind: Sonnen-, Hitze- und Insektenschutz, gegebenenfalls veränderte Arbeits- und Pausenzeiten, mehr Aufklärung zum Eigenschutz. Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass die Angebote der Unternehmen von Mitarbeitenden angenommen werden. Viele Angehörige von Berufsgruppen, die wegen vermehrter Arbeit im Freien am häufigsten von Hautkrebs betroffen sind, finden Bräune besonders attraktiv und schätzen deshalb das Risiko von UV-Strahlung nicht ausreichend hoch ein.

Prävention sichert Fachkräfte

Außerdem treten die Folgen übermäßiger Sonnenstrahlungsexposition selten sofort auf, sondern häufig erst bei älteren Menschen, die nicht mehr berufstätig sind. „Wir müssen den Beschäftigten deutlich sagen: Arbeitet im Sommer nicht in der direkten Sonne mit blankem Oberkörper. Haltet euch stattdessen so lange wie möglich im Schatten auf und plant die Arbeiten entsprechend. Wenn das nicht geht, dann tragt ein langärmeliges Shirt mit ausreichendem UVSchutz, eine Sonnenbrille, eine Kopfbedeckung und benutzt ausreichend UV-Schutzcreme, um euch vor übermäßiger Sonneneinstrahlung zu schützen“, fordert Alexander.

Der Experte sieht mehrere Vorteile für Unternehmen, in Prävention zu investieren. „Es gibt neben Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz einen weiteren Aspekt: den Fachkräftemangel. Ein Unternehmen, das klar kommuniziert, ,Wir nehmen den Klimawandel ernst und schützen unsere Beschäftigten bestmöglich‘, wird von der jüngeren Generation positiv wahrgenommen.“

    

Mitarbeitende vor Hitze, Sonne und Infektionsträgern schützen

Arbeiter mit Helm und Nackenschutz bei Arbeiten in einem Loch, das mit einem Sonnenschirm verschattet wird
So geht es richtig: Arbeitsbereiche verschatten, Sonnenbrille und Kleidung tragen, die vor der Sonne schützt.

Sonnenlicht macht gute Laune und steigert das Wohlbefinden. Intensive UV-Strahlung kann aber zu Haut- und Augenschäden führen. Langfristig kann die UV-Strahlung der Sonne sogar Hautkrebs verursachen. Hohe Temperaturen wiederum belasten den Kreislauf. Gründe genug, bei Arbeiten im Freien eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und auf ausreichend Sonnenschutz zu achten.

   

Illustration einer Sonnenmilch-Flasche mit Lichtschutzfaktor 30

Technische Hilfen

  • Arbeitsbereiche im Freien mit Schirmen, Sonnensegeln oder Zelten ausstatten
  • Beschattete Pausenorte anbieten
  • Baumaschinen mit Klimaanlagen ausrüsten
  • Sonnenschutzcreme mit Lichtschutzfaktor von mindestens 30, besser 50 oder höher, verteilen
  • Getränke zur Verfügung stellen
  • Erste-Hilfe-Koffer mit Zeckenkarten ausstatten
  • Bei Bestandsgebäuden Fassaden beschatten, Räume zu kühleren Tageszeiten gut durchlüften und möglichst Klimaanlagen installieren
  • Neubauten mit Materialien erstellen, die sich wenig aufheizen und gesundes Innenraumklima fördern

Abstrakte Illustration einer Sonne mit Sonnenstrahlen, die im Inneren eine Uhr und darauf einen Zeitraum anzeigt

   

Arbeitsorganisation

  • Mitarbeitende über Gefahren durch UV-Strahlung und Ozon aufklären, auf Vorhersage-Apps hinweisen
  • Über Infektionsgefahren in bewaldeten Gebieten, durch stehende Gewässer oder Mäusekot informieren
  • Möglichst viele Arbeiten im Schatten oder in geschlossenen, kühleren Räumen erledigen
  • Arbeiten im Freien möglichst früh morgens oder ab spätem Nachmittag erledigen
  • Längere Arbeiten im Freien durch Schichtwechsel verkürzen, mehr Abkühlpausen einplanen
  • Arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten, vor allem für Beschäftigte, die regelmäßig mehr als eine Stunde bei hohem Sonnenstand im Freien arbeiten
  • Erste-Hilfe-Schulungen um Themen wie Hitzschlag und Zeckenbiss erweitern

Illustration eines Pullovers, der auf der Vorderseite das Symbol der Sonne zeigt

   

Kleidung

  • Kleidung mit langen Ärmeln und langen Hosenbeinen hält Insekten und UV-Strahlen ab
  • Einen breitkrempigen Hut oder eine Kappe mit Nacken- und Ohrenschutz tragen
  • Eine Sonnenbrille schützt die Augen