Die A380 von Airbus ist das größte und schwerste Passagierflugzeug der Welt – 73 Meter lang, 24 Meter hoch und mit einer Kapazität von bis zu 853 Passagieren. Ein Flugzeug der Superlative und ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt: Gebaut wurde die inzwischen eingestellte A380 in der Airbus-Zentrale im französischen Toulouse, Kabinenausrüstung und Lackierung fanden im deutschen Werk in Hamburg-Finkenwerder statt.
Arbeiten in mehreren Metern Höhe
„In unseren Lackierhallen machen wir aus den Flugzeugen etwas Schönes“, beschreibt Ralph Maurer, Leiter Lackierung bei Airbus in Hamburg-Finkenwerder, seine Arbeit. „Aber eine so große Maschine zu lackieren, ist komplexer, als viele denken!“ Bis ein Flugzeug fertig ist, müssen viele verschiedene Schichten aufgebracht werden, stets arbeiten mehrere Menschen gleichzeitig am Flugzeug. Im Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder wird daher im durchgängigen Schichtbetrieb gearbeitet, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche.
Besonders wichtig für Airbus: das Einhalten aller Sicherheitsvorschriften. „Wir wissen, dass unser Job gefährlich ist“, sagt Ralph Maurer, „beim Lackieren arbeitet man immer mit vielen Gefahrstoffen. Und bei uns kommt natürlich zusätzlich der Aspekt der Höhe dazu.“ Denn ein Riesenflieger wie die A380 lässt sich nicht allein vom Boden aus lackieren. Ein Teil der Arbeit muss von den Lackiererinnen und Lackierern auf dem Flugzeug selbst erledigt werden. Arbeiten sie zum Beispiel auf den Flügeln, befinden sie sich sechs Meter über dem Boden.
Dass es dabei bislang zu keinen schweren Unfällen kam, hat auch etwas mit der Sicherheitskultur bei Airbus zu tun. Denn das Unternehmen gibt seinen Mitarbeitenden regelmäßig Sicherheitstrainings, damit sie die Risiken ihrer Arbeit genau kennen und sich davor schützen können. Ralph Maurer selbst hat sich null Arbeitsunfälle in seinem Bereich als Ziel gesetzt. „Dafür reicht es aber nicht, dass ich daran glaube, dass das möglich ist“, sagt er, „die anderen müssen auch daran glauben.“
„Das Projekt bei Airbus hat gezeigt: Virtual Reality kann Sicherheitsunterweisungen sehr bereichern. Jetzt geht es im nächsten Schritt um die Frage, wie man diese Methode möglichst vielen Betrieben zur Verfügung stellen kann.“
Torsten Wagner,
Projektverantwortlicher für die BG ETEM
Neue Methoden für die Unterweisung
Deshalb war er sofort begeistert, als die BG ETEM den Vorschlag machte, eine Sicherheitsunterweisung mit Virtual Reality (VR, siehe Kasten) anzubieten. Thema: Lackierarbeiten auf einem Flugzeugflügel. Denn aus eigener Erfahrung wusste Ralph Maurer, dass es nicht einfach ist, erfahrene Mitarbeitende immer wieder aufs Neue für Arbeitssicherheit zu begeistern. Häufig schätzen diese wegen ihrer Routine die Risiken der Arbeit geringer ein, als sie tatsächlich sind. Von dem Einsatz von VR erhoffte er sich vor allem einen neuen Ansatz für die Vermittlung des Themas.
Die Motivation auf Seiten der BG ETEM war ähnlich: „Ziel war es, Erfahrungen mit Virtual Reality als Schulungsmethode zu sammeln und zu testen, ob der Einsatz dieser neuen Technik einen Mehrwert für die Arbeitssicherheit bringt“, erklärt Torsten Wagner, der das Projekt auf Seiten der BG ETEM koordinierte. Dafür holte sich die BG ETEM Unterstützung: Robin Grießel und Dr. Stephanie Griemsmann vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) übernahmen Programmierung und Evaluation.
Sicherheit spielerisch vermitteln
Für Airbus entwickelte das IFA ein VR-Sicherheitstraining mit drei Szenarien – Überprüfung der persönlichen Schutzausrüstung, Bedienen der Teleplattform sowie Arbeiten auf dem Flügel. Der Vorteil von VR: Obwohl die gezeigte Situation nicht echt ist, fühlt sie sich so an. Das hinterlässt meist einen bleibenden Eindruck. „Man weiß, dass man gerade eine VR-Brille auf der Nase hat. Aber wenn man an der Flügelkante steht, geht man trotzdem unwillkürlich einen Schritt zurück“, beschreibt Ralph Maurer dieses Gefühl.
Herunterfallen konnte man in der Simulation übrigens nicht, auch wenn sich Ralph Maurer das gewünscht hat. Der Grund: Stürzt man in einem VR-Szenario, kann das dazu führen, dass man auch in der Wirklichkeit stürzt und sich dabei verletzt. Keine gute Voraussetzung für ein Sicherheitstraining, das gerade vor den Gefahren eines Sturzes warnen soll. Stattdessen wurde der Sturz eines Dummys vom Flügel mit einer Hochgeschwindigkeitskamera gefilmt und als Teil des Trainings gezeigt.
Im Anschluss an das Training wurden die Mitarbeitenden zu ihren Erfahrungen befragt. Das Feedback war durchweg positiv. Die meisten wünschten sich auch weitere Trainings dieser Art. Deshalb lautet das Fazit von IFA und BG ETEM: VR-Trainings können eine wertvolle Ergänzung für Sicherheitsunterweisungen sein, vor allem, weil man mit ihnen sicheres Verhalten gefahrlos einüben kann.
Virtual Reality
Eintauchen in Computerwelten
Virtuelle Realität (VR) ist eine computergenerierte Simulation einer dreidimensionalen Umgebung, die von einer Person über ein Headset oder ein ähnliches Gerät erlebt werden kann. Leistungsfähige Systeme sind heute für wenige hundert Euro erhältlich. Nutzende schätzen vor allem den immersiven Charakter, also das Gefühl, dass sie sich tatsächlich in der simulierten Umgebung befinden. Dieses Gefühl der Präsenz kann so stark sein, dass sie körperliche Reaktionen wie eine erhöhte Herzfrequenz oder Schweißausbrüche verspüren. Für einige Menschen sind diese Systeme deshalb nicht oder nur bedingt geeignet: So wie manche Menschen seekrank werden, leiden manche Personen in VR unter Cybersickness.
Mit Hilfe von Controllern, Gesten oder sogar eigenen Körperbewegungen kann man mit der virtuellen Umgebung interagieren. Je nach Inhalt und Kontext des VR-Erlebnisses können Nutzende eine Reihe von Emotionen erleben, von Aufregung und Neugier bis hin zu Furcht und Angst.
Eine Methode mit Zukunft
Auch Ralph Maurer ist sehr zufrieden. „Uns ist es gelungen, ein ernstes Thema so zu transportieren, dass die Mitarbeitenden wirklich etwas mitnehmen können“, sagt er. „Die Technologie hat dabei geholfen, die Informationen effektiv zu vermitteln. Und dann lohnt sich auch der Aufwand.“
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