Wo das Risiko am höchsten ist, da sind wir vor Ort – nach diesem Grundsatz gestaltet die BG ETEM die Auswahl der Betriebe, die besichtigt werden. „Das ist notwendig, weil es bei mehr als 220.000 Mitgliedsbetrieben schon aus Kapazitätsgründen gar nicht möglich ist, alle persönlich zu betreuen“, erklärt Frank Göller, Bereichsleiter Aufsicht und Beratung bei der BG ETEM. Für seine Arbeit ist es wichtig zu wissen, wo persönliche Betreuung besonders wirksam ist. Das Problem: Kennzahlen zur Häufigkeit von Unfällen und Berufskrankheiten bilden die Vergangenheit ab – wie aber stellt man fest, ob ein Betrieb auch in Zukunft wahrscheinlich ein hohes Risiko hat?
Risikoorientierung hat Tradition in der Unfallversicherung
Jeder Arbeitsunfall und jede beruflich bedingte Erkrankung bringen menschliches Leid mit sich und wirken sich negativ auf die betroffenen Unternehmen aus. Daher hat die gesetzliche Unfallversicherung der Prävention von Beginn an eine hohe Bedeutung beigemessen. Schon der Gefahrtarif und die Beitragsgestaltung von Berufsgenossenschaften berücksichtigen branchen- und betriebsspezifische Besonderheiten. Das spezifische Risiko einzelner Branchen spiegelt sich im jeweiligen Gefahrtarif wider. Er ist das zentrale Instrument, um die Beiträge zur Berufsgenossenschaft entsprechend dem Unfallrisiko abzustufen. Je weniger Kosten für Unfälle und Berufskrankheiten in einem Unternehmenszweig anfallen, desto günstiger wird der Beitrag. Außerdem ist die BG ETEM gesetzlich verpflichtet, Unternehmen mit gut funktionierendem Arbeitsschutz besser zu stellen als Unternehmen mit vielen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Dies geschieht bei der BG ETEM konkret über einen Beitragsnachlass.
Persönliche Betreuung unterstützt die Mitgliedsbetriebe
Es sollte daher im eigenen Interesse der Mitgliedsbetriebe liegen, Maßnahmen für sicheres und gesundes Arbeiten selbstständig umzusetzen. Die Erfahrung zeigt aber, dass manchmal Unterstützung notwendig ist. Das ist die Überwachungsaufgabe der Unfallversicherungsträger, die durch die Aufsichtspersonen bei Betriebsbesichtigungen wahrgenommen wird. Der Einsatz der Aufsichtspersonen vor Ort ist für beide Seiten wertvoll: Der besichtigte Mitgliedsbetrieb erhält Unterstützung für das Erreichen eines Präventionserfolgs, und die BG ETEM gewinnt Erkenntnisse, die für die Allgemeinprävention gewinnbringend eingesetzt werden können.
Künstliche Intelligenz schont personelle Ressourcen
Betriebsbesichtigungen sollen vor allem zum Einsatz kommen, wenn das Risiko eines Betriebs als hoch eingeschätzt wird. Die Aufgabe der Aufsichtspersonen ist es also, genau diese Betriebe zu identifizieren. Doch das ist nicht einfach, denn es gibt mehr als 220.000 Mitgliedsbetriebe, über die eine Vielzahl an Informationen verfügbar ist. „Diese Daten manuell zusammenzubringen, beansprucht viel Zeit“, erläutert Frank Göller, „hier ist der Einsatz einer Künstlichen Intelligenz für uns besonders wertvoll, weil sie Ressourcen schont.“
Die Künstliche Intelligenz (KI) der BG ETEM kann Informationen aus verschiedensten Quellen miteinander in Bezug setzen, um zu einer Gesamtaussage über die zukünftige Unfalltendenz eines Betriebs zu kommen. Die Einschätzung dient als Orientierungshilfe für das Aufsichtspersonal und wird ergänzt durch deren Erfahrungswissen. Denn, so Frank Göller, „die KI dient der Unterstützung, sie soll den Menschen nicht ersetzen.“ Deshalb gibt die KI auch keine Maßnahmen vor. Welches Präventionsmittel im Einzelfall vor Ort gewählt wird, liegt weiterhin im Ermessen der Aufsichtspersonen.
„Der Einsatz der Aufsichtspersonen in unseren Mitgliedsbetrieben ist für die Prävention sehr wichtig. Es ist die Verbindung ihres Praxiswissens mit der Betriebsauswahl durch die KI, die letztlich den Präventionserfolg bringt.“
Frank Göller, Bereichsleiter Aufsicht und Beratung
Entscheidungen sind transparent und nachvollziehbar
Der mit Echtdaten trainierte Algorithmus der BG ETEM lernt auf der Basis von über 100 Merkmalen, die Wahrscheinlichkeit für Arbeitsunfälle in Betrieben bis 10 Vollarbeiter für das Folgejahr zu schätzen. Dabei werden historische Muster und Zusammenhänge gesucht und erkannt, um die Prognosen abzusichern. Der Fokus auf Kleinbetriebe ergibt sich aus der Erkenntnis, dass sie häufiger Beratungsbedarf zeigen als Großbetriebe mit etablierten Strukturen in der Arbeitsschutzorganisation. Dabei wird auf die Nachvollziehbarkeit der Prognosen besonders Wert gelegt. Für Aufsichtspersonen der BG ETEM ist immer transparent, welche Merkmale sich bei einem Betrieb belastend oder begünstigend für die Prognose ausgewirkt haben. So hilft die KI den Aufsichtspersonen, die eigenen Ressourcen in der Überwachung und Beratung von Betrieben verantwortungsvoll und sinnstiftend einzusetzen.
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