Illustration: Ein Mann im blauen Handwerkeranzug rutscht auf einer Pfütze aus.

Was kommt nach dem Ende der DGUV-Kampagne „kommmitmensch“? Fragt man die BG ETEM, so lautet die Antwort: die „Initiative sicheres Verhalten“. Verant­wortlich dafür sind unter anderem Arbeitspsychologe Just Mields sowie Pressesprecher und Kommunikations­experte Christian Sprotte. Für sie ist klar: Das Thema Präventionskultur ist für die BG ETEM einfach zu wich­tig, um es aufzugeben. Die „Initiative sicheres Verhal­ten“ ist eine Strategie zur Stärkung eines ganzheitlichen Arbeitsschutzes. Sie soll sich an alle Mitgliedsbetrie­be der BG ETEM richten, mit einem besonderen Schwer­punkt auf Klein- und Kleinstbetriebe sowie Unterneh­merinnen, Unternehmer und Führungskräfte.

Mit ganzheitlichem Arbeitsschutz mehr erreichen

Dass Bedarf dafür besteht, zeigen die Zahlen: Nach den starken Abnahmen in den 1990er und 2000er Jahren sinken die Arbeitsunfallzahlen schon seit einiger Zeit nicht mehr. Der klassische Arbeitsschutz mit seiner Be­tonung von technischen und organisatorischen Aspek­ten kommt hier an seine Grenzen. Wer noch weniger Ar­beitsunfälle sehen will, muss neue Wege gehen. Einer davon ist, sicheres Verhalten auch aus psychologischer Sicht zu betrachten und sich zu fragen: Warum verhal­ten sich Menschen sicher und was hat das mit dem Be­trieb, in dem sie arbeiten, und der Unternehmenskultur dort zu tun? Die Berücksichtigung dieser Aspekte führt zu einem ganzheitlichen Ansatz im Arbeitsschutz.

Bei der BG ETEM und ihren Mitgliedsbetrieben sind die Werkzeuge und Aktivitäten innerhalb der Kampagne zur Präventionskultur auf viel Engagement und positive Resonanz gestoßen. Um aber langfristig etwas verändern zu können, braucht es schlichtweg mehr Zeit, erklärt Just Mields: „Das Thema Kultur braucht einfach lange, bis es wirken kann, es ist ein Marathon, kein Sprint.“

„Das Ende der Kampagne war aber auch Anlass“, fügt Christian Sprotte hinzu, „unsere eigenen Aktivi­täten kritisch zu hinterfragen.“ Eine Erkenntnis: Die Präventionskultur in Betrieben kann verändert werden, aber nicht dadurch, dass man nur darüber spricht. Viel wichtiger ist es, alle Beteiligten aktiv am Prozess zu be­teiligen. Warum das erfolgversprechender ist, erläutert Arbeitspsychologe Just Mields: „Beschäftige sind Ex­perten für ihre Arbeit. Und in dem Moment, in dem ich selbst an etwas beteiligt bin, steigt auch meine Motiva­tion. Partizipation funktioniert!“ Auch deshalb sind auf Mitarbeit ausgelegte Werkzeuge der BG ETEM wie der ErgoChecker, das Risikoposter oder die Workshops zum Thema Nudging so erfolgreich.

Wertvolle Rückmeldungen aus der Praxis

Für die „Initiative sicheres Verhalten“ planten die bei­den nochmal neu. Erster Schritt war eine Befragung von 15 Personen aus Interessengruppen innerhalb der BG ETEM. Danach folgte eine Online-Befragung, an der 55 Personen teilnahmen. Insgesamt sahen die Befragten in der Weiterentwicklung der Kampagne zur Kultur der Prävention vor allem die Chance, besser auf die betrieb­lichen Zielgruppen einzugehen und neue branchenbe­zogene Schwerpunkte zu setzen. Im nächsten Schritt werden auf der Basis dieser Rückmeldungen und auch im Austausch mit den Zielgruppen Präventionsangebo­te entwickelt und beworben, die stets auch Aspekte des ganzheitlichen Arbeitsschutzes beinhalten.

Das Ziel ist eine gesündere Arbeitswelt

Ein gemeinsamer Anker für diesen Prozess ist die „Vi­sion Zero“ – eine Welt ohne Arbeitsunfälle und arbeits­bedingte Erkrankungen. Ein ambitioniertes Ziel, das wissen auch Christian Sprotte und Just Mields. Aber trotzdem das richtige, finden sie. Christian Sprotte: „Das momentane Plateau bei den Arbeitsunfallzahlen akzeptieren wir nicht. Deshalb suchen wir nach Lösun­gen, um die Zahlen weiter zu senken.“ Die „Initiative sicheres Verhalten“ ist ein wichtiger Schritt dahin.

Das Risikoposter in der Praxis: STB Sachsenwind in Dresden

Halbkörper-Porträt von Raiko Schmidt, im Hintergrund an der Wand hängt das gelbe Risikoposter der BG ETEM.

Elektroingenieur und Sicherheitsfachkraft Raiko Schmidt hat die Initiative ergriffen und ist in seinem Betrieb auf offene Ohren gestoßen.

Was macht Ihren Job so gefährlich?

Zwei Drittel unserer Arbeitszeit verbringen wir außerhalb des Büros im Straßenverkehr und auf Windkraftanlagen. Da haben wir es mit verschie­denen Gefährdungen zu tun – mit elektrischen, weil es sich um Energieerzeugungsanlagen handelt, und mit diversen Ma­schinengefährdungen. Wir arbeiten in engen Räumen und in großer Höhe. Da bekommt das Thema Rettungswege einen ganz anderen Charakter.

Welchen Stellenwert hat Arbeitsschutz bei Ihnen?

Wir haben alle verinnerlicht: Es darf nichts passieren. Wir tun alles, um uns bestmöglich auf die jeweilige Aufgabe vorzubereiten – auf die Art der Anlage, die Umgebung. Und natürlich tragen wir bei der Arbeit unsere persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz.

Welche Rolle spielt Kommunikation dabei?

Eine ganz zentrale. Wir haben ein Serversystem mit einer Datenbank, in der alle wichtigen Informationen nachzuschlagen sind. Wir stehen untereinander in permanentem Austausch und nutzen die Erfahrungen aller Kolleginnen und Kollegen. Und selbstverständlich arbeiten wir immer in Zweierteams.

Wie hilft die BG ETEM beim Thema Arbeitssicherheit?

Das Medienangebot der BG ETEM ist extrem hilfreich. Da halten wir uns immer auf dem Laufenden – auch über Regeländerungen. Und schließlich bin ich durch ein BG-Seminar im Herbst 2019 darauf gekommen, das Thema psychische Belastungen bei der Arbeit im Kollegenkreis anzusprechen. Das Risikoposter kam uns da gerade recht.

Wie haben die Kolleginnen und Kollegen reagiert?

Alle waren sofort bereit, mitzumachen – sowohl bei der Umfrage zu psy­chischen Belastungen wie bei der Diskussion am Risikoposter. Auch unser Geschäftsführer war dabei. Er stellt hohe Ansprüche an Arbeitssicherheit, arbeitet selbst mit draußen auf den Anlagen. Der Erfolg gibt uns recht. Der Ein­satz lohnt sich, wenn alle abends wieder gesund zu Hause sind.

Video: Erleben Sie Raiko Schmidt im Interview im Büro und bei der Arbeit an Windkraftanlagen auf etem.bgetem.de

5 Tipps für gute Kommunikation

Illustration Kommunikation: Zwei Personen sprechen miteinander, über ihnen eine Sprechblase mit einer leuchtenden Glühbirne.

Nicht nur was, auch wie es gesagt wird, ist wichtig. So verankern Sie Sicherheit und Gesundheit optimal in den Köpfen Ihrer Beschäftigten.

Illustration Muskelkraft

Konstruktiv einsteigen

Ein positiver Einstieg – zum Beispiel Lob für bisherige Erfolge – steigert die Gesprächsbereitschaft und die Aufmerksamkeit für Ihr Thema. Und es motiviert Zuhörerinnen und Zuhörer, sich weiter verbessern zu wollen. Ge­meinsame Ziele lassen sich so leichter formulieren.

Illustration Kettenglieder

Beschäftigte einbinden

Ihre Leute sind Spezialisten auf ihrem Gebiet. Lassen Sie sie zu Wort kommen und hören Sie aktiv zu. Vielleicht bringt ihre Sichtweise ganz neue ­­Erkenntnisse. Außerdem: Wertschätzung ist eine Voraussetzung für Kommunikation auf Augenhöhe.

Illustration Liste

Klarheit schaffen

Formulieren Sie klare Botschaften und vermeiden Sie Widersprüche. Seien Sieauthentisch, beschreiben Sie Ihre Pers­pektive und laden Sie Ihre Zuhörerinnen und Zuhörer mit offenen Fragen zum Nachdenken ein. Und seien Sie dabei immer glaubwürdig.

Illustration Zielflagge

Vereinbarungen einhalten

Schaffen Sie Verbindlichkeit. Verständi­gen Sie sich mit allen Beteiligten aufkonkrete Vereinbarungen. Diese sollten realistisch und umsetzbar sein und nach einiger Zeit überprüft werden. Denken Sie daran: Ihr eigenes Vorbild zählt dabei besonders.

Illustration Kreislauf

Dranbleiben

Mit einem Mal ist es nicht getan. Wie­derholen Sie das Gespräch regelmäßig oder bei konkreten Anlässen. Das Risikoposter hilft dabei. Gut sicht­bar im Betrieb aufgehängt, erinnert es daran, was vereinbart wurde und was noch zu tun ist.