Haben Versicherte der BG ETEM schwere Arbeits- oder Wegeunfälle, muss entschieden werden, ob Betroffene durch das Reha-Management begleitet werden sollten. Bei dieser Entscheidung spielt das Erfahrungswissen der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter eine wichtige Rolle. Seit 2021 unterstützt bei der BG ETEM nun zusätzlich künstliche Intelligenz (KI) diesen Prozess. Diese wurde gemeinsam entwickelt von Kolleginnen und Kollegen aus den Bezirksverwaltungen, den Abteilungen Grundsatz und Organisation sowie IT, einem externen Dienstleister und der Stabsstelle Controlling.
Unterstützen, aber nicht entscheiden
„Der gezielte Einsatz von künstlicher Intelligenz leistet einen Beitrag, um potenzielle Fälle fürs Reha-Management zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu ermitteln und so die Kapazitäten in den Unfallteams bestmöglich einzusetzen“, beschreibt Nancy Helmis, Sachbearbeiterin in der Abteilung Grundsatz und Organisation, die Vorteile der Neuerung. „Zentral ist, dass die Fälle so noch zeitnaher identifiziert werden können.“ Die KI sei dabei aber kein kalt denkender „Kollege Computer“, der einsam seine Entscheidungen treffe: „Den letzten Blick hat der Mensch. Er trifft die Entscheidung, nicht die KI.“
RehaPlus, so der Name des Programms, wird fortlaufend mit großen Mengen bereits vorhandener Daten gespeist. Es erfasst über 300 verschiedene Merkmale abgeschlossener Fälle – und prüft mit dem auf diese Weise gewonnenen Wissen die aktuellen Unfälle. Die Frage lautet: Gibt es Hinweise, die einen komplexen Verlauf vermuten lassen? Die KI erfasst auch Zusammenhänge, die der Sachbearbeitung in manchen Fällen eventuell verborgen geblieben wären. „RehaPlus liefert uns auf diese Weise einheitliche Bewertungsmaßstäbe zur Entscheidung über die Aufnahme ins Reha-Management“, erklärt Nancy Helmis. Das Programm stellt seinen Nutzern drei sich ergänzende Prognosen zur Verfügung: zur Reha-Management-Wahrscheinlichkeit, zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit und zu den voraussichtlichen Kosten des Falls.
Nancy Helmis
Sachbearbeiterin Abteilung Grundsatz und OrganisationRehaPlus liefert uns einheitliche Bewertungsmaßstäbe zur Entscheidung über die Aufnahme ins Reha-Management.
Gesamteindruck: positiv
Nach der flächendeckenden Einführung von RehaPlus wurde bei der BG ETEM eine anonyme Onlineumfrage durchgeführt:
Wichtige Unterstützung für neue Mitarbeitende
Einmal pro Woche vergleicht das System die aktuellen Fälle mit vergangenen Fällen und ordnet sie auf einer abgestuften Farbskala von grün bis rot. Es sind insbesondere die Fälle in der Mitte der Skala, die von der neuen KI-Lösung profitieren, wie Nancy Helmis erläutert: „Bei schweren Verletzungen ist die Aufnahme in das RehaManagement in der Regel eindeutig. Die KI leistet zusätzlich wertvolle Entscheidungshilfe gerade bei Grenzfällen in der mittleren Gruppe. Das ist eine wichtige Unterstützung, insbesondere auch für Mitarbeitende, die neu bei uns anfangen.“
Die BG ETEM ist der erste Unfallversicherungsträger, der KI-Anwendungen im Geschäftsalltag nutzt: bereits seit Dezember 2019 im Bereich Regress, seit Herbst 2021 nun auch im Bereich Rehabilitation. Angeschoben wurden die Neuerungen von Dr. Johannes Hüdepohl, Leiter der Stabsstelle Controlling: „Bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherungen fallen permanent große Mengen von Daten an, die bisher nur rückblickend in Statistiken aufgearbeitet wurden. Die KI ermöglicht es uns nun, diese Daten für Blicke in die Zukunft in Form von Prognosen zu nutzen.“ Wie Nancy Helmis unterstreicht auch Johannes Hüdepohl, dass die Prognose-Ergebnisse eine unterstützende und keine entscheidende Rolle haben.
Der Einsatz von RehaPlus bei der BG ETEM wurde von Anfang an wissenschaftlich begleitet – in Form einer Masterarbeit von Laura Polster, die in der Bezirksverwaltung Nürnberg der BG ETEM arbeitet und berufsbegleitend an der Hochschule Schmalkalden studiert. 300 Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter beantworteten dafür in zwei Runden jeweils 70 Fragen. Erst während der Testphase im Sommer 2021, das zweite Mal nach der Einführung. Demnach erhöhte sich die positive Grundeinstellung „zum Einsatz künstlicher Intelligenz im Reha- und Leistungsbereich“ von 76 auf 86 Prozent. Vier von fünf Mitarbeitenden können nach eigenen Angaben Nutzen daraus ziehen.
Dr. Johannes Hüdepohl
Leiter Stabsstelle ControllingDer Einsatz von künstlicher Intelligenz eröffnet viele Chancen, die wir nutzen können, enthält aber auch manches Risiko, das wir beachten müssen. Hier gilt es abzuwägen.