Daten, Zahlen, Fakten und die Geschichten dahinter
Gesundheitsvorsorge

50 Jahre kostenlose Krebsvorsorge

Nahaufnahme eines Staubballens.

Asbest ist seit 1993 in Deutschland verboten – aber heute immer noch verantwortlich für die Mehrheit aller Todesfälle durch Berufskrankheiten.

Arbeitnehmende, die während ihrer Arbeit gefährli­chen Stäuben wie Asbest ausgesetzt waren, haben ein hohes Risiko, aufgrund ihrer Tätigkeit Lungenerkran­kungen oder Krebs zu bekommen. In Deutschland be­trifft das mehrere hunderttausend Menschen. Schon seit 1972 bieten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ihren Versicherten daher eine regelmäßige kostenlose Vorsorge an. Das Ziel: Erkrankungen so früh wie mög­lich zu erkennen.

Gesundheitliche Probleme erst nach Jahrzehnten

Die Arbeit mit krebserzeugenden Stoffen kann manch­mal erst Jahrzehnte später zu einer Berufserkrankung führen. Um ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen, müs­sen Arbeitgeber daher auch ihren ehemaligen Mitarbei­tenden eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten, wenn sie krebserzeugenden Gefahrstoffen ausgesetzt waren. Das ist die sogenannte nachgehende Vorsorge. Diese wichtige Aufgabe übernehmen Berufs­genossenschaften und Unfallkassen für die Arbeitgeber.

Um die Versicherten bestmöglich versorgen zu können, haben die Berufsgenossenschaften und Un­fallkassen besondere Einrichtungen gegründet. Sie sind spezialisiert und gewährleisten, dass die Vorsorge re­gelmäßig nach besten medizinischen Standards durch­geführt wird. Eine dieser Einrichtungen ist die 1972 als „Zentrale Erfassungsstelle asbeststaubgefährdeter Ar­beitnehmer“ gegründete Gesundheitsvorsorge (GVS) in Augsburg, die von der BG ETEM als Auftragseinrichtung geführt wird. Sie kümmert sich um Arbeitnehmende, die während ihres Berufslebens Stäuben von Asbest­fasern, kristallinem Siliziumdioxid (Quarzstaub) oder künstlichen Mineralfasern ausgesetzt waren.

ca. 2,6 Millionen Vorsorgeunter­suchungen hat die GVS in den letzten 50 Jahren veranlasst.

Wie wichtig das kostenlose und umfangreiche An­gebot der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ist, zeigen die Zahlen: 2021 waren insgesamt 243.789 Menschen für die nachgehende Vorsorge gemeldet. Die meisten von ihnen, 230.127 Personen, waren in ihrem Berufsleben Asbest ausgesetzt. 2.593 Versicherte waren Quarzstaub, 1.938 künstlichen Mineralfasern ausge­setzt. Im Jahr 2021 investierten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zusammen rund 6,85 Millionen Euro, um ehemaligen Beschäftigten eine optimale Vorsorge bieten zu können.

Die Versicherten selbst müssen sich dabei um nichts kümmern: Die Arbeitgeber melden ihre Daten für die nachgehende Vorsorge online über ein extra eingerichte­tes Portal, den Rest erledigt die GVS. Sie schreibt die Ver­sicherten alle drei Jahre an, Personen mit hohem Lun­genkrebsrisiko sogar jedes Jahr. Monatlich verschickt die GVS so bis zu 8.000 Einladungen. Die Teilnahme an der Vorsorge ist für die Versicherten dabei immer freiwillig.

So funktioniert das Angebot der GVS

Arbeitgeber melden Beschäftigte für die nachgehende Vorsorge online über ein extra eingerichtetes Portal an. Registriert werden alle Personen, die während ihrer Berufs­tätigkeit Kontakt zu gefährlichen Stäuben hatten. Die Teilnahme an der Vorsorge ist für Versicherte freiwillig und kostenlos. Fahrtkosten und Verdienstausfall werden erstattet. Erhärtet sich bei der Vorsorgeuntersuchung der Verdacht auf eine Berufskrankheit, übernimmt die jeweils zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse den Fall sowie die weitere Behandlung.

Ärztliches Beratungsgespräch

Grafik Ärztin

Im Zentrum der nachgehenden Vor­sorge steht das ärztliche Beratungs­gespräch. Hier lassen sich Sorgen und Ängste der Versicherten in Ruhe besprechen. Als Vorsorgeuntersuchun­gen kommen zusätzlich eine Lungen­funktionsprüfung oder eine Röntgen­aufnahme des Brustkorbs infrage.

Regelvorsorge

Alle drei Jahre erhalten Arbeitnehmende, die in ihrem Berufsleben gefährlichen Stäuben ausgesetzt waren, eine Einladung.

Häkchen-Zeichen in einem Kreis neben dem Wort „Lungenfunktionsprüfung“, darunter Illustration eines Atemmessgeräts. Häkchen-Zeichen in einem Kreis neben dem Wort „Röntgenaufnahme“, darunter Illustration einer Säule mit angebrachtem Bildschirm, wie man es aus einem Röntgenraum kennt.

Abb. Regelversorgung: Lungenfunktionsprüfung und Röntgen.

Erweiterte Vorsorge bei hohem Risiko

Die Einladung für Menschen mit hohem Lungenkrebsrisiko erfolgt jährlich. Als er­weitertes Vorsorgeangebot können sie eine hochauflösende Computertomografie mit geringer Strahlendosis (LD-HRCT) erhalten. Damit lassen sich asbestverursachte Lungentumore in einem frühen Stadium entdecken, was die Heilungschancen deut­lich verbessert.

Häkchen-Zeichen in einem Kreis neben dem Wort „Röntgenaufnahme“, darunter Illustration einer Säule mit angebrachtem Bildschirm, wie man es aus einem Röntgenraum kennt. Dieselbe Abbildung wie darüber. Dieselbe Abbildung wie darüber. Häkchen-Zeichen in einem Kreis neben dem Wort „Computertomografie“, darunter Illustration einer Körperscan-Röhre.

Abb. Erweiterte Vorsorge: Lungenfunktionsprüfung und Computertomographie.

Vor der Untersuchung kommt die Beratung

Im Zentrum des Angebots steht das ärztliche Bera­tungsgespräch. Hier lassen sich Sorgen und Ängste in Ruhe besprechen. „Viele brauchen und möchten erst einmal nur eine arbeitsmedizinische Beratung. Nicht immer werden in der Folge auch Untersuchungen emp­fohlen“, erklärt Alexandra Centmayer, seit März 2015 Verwaltungsleiterin bei der GVS, „diese Entscheidung fällt erst im Beratungsgespräch.“ Als Vorsorgeunter­suchung kommt neben einer Lungenfunktionsprüfung eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs infrage. Perso­nen mit besonders hohem Lungenkrebsrisiko können im Rahmen eines erweiterten Vorsorgeangebots auch eine hochauflösende Computertomographie mit ge­ringer Strahlendosis (LD-HRCT) durchführen lassen. „Asbestverursachte Lungentumore können so in einem sehr frühen Stadium entdeckt werden, was die Hei­lungschancen und Behandlungsmöglichkeiten deut­lich verbessert“, erläutert Alexandra Centmayer die Vorteile des Verfahrens.

Für die Versicherten ist die Vorsorge lebenslang komplett kostenlos. Falls sich im Rahmen der Vorsor­geuntersuchungen der Verdacht auf eine Berufskrank­heit erhärten sollte, übernimmt die jeweils zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse die weitere Be­handlung. Und auch diese ist für die Versicherten natür­lich kostenlos.

→ info

Mehr Infos zur Arbeit der GVS sowie zur Gefährdung durch Asbest finden Sie hier: gvs.bgetem.de, Webcode 12311198

Ein Versicherter erzählt

Thomas Strauß besucht seit Jahren die Vorsorgeuntersuchungen der GVS. Für ihn ein wichtiges Angebot, das er gerne annimmt.

Eigentlich hatte Thomas Strauß ganz andere Pläne: Anfang der Siebzigerjahre betrieb der gelernte Tankwart aus Lübeck eine Tank­stelle im Ort, das Geschäft lief gut. Aber dann kam die Ölpreiskrise. „Da lief es dann nicht mehr so gut. Ich habe mich anderwei­tig umgesehen“, erzählt der 75-Jährige.

Er sattelte um, von Kraftstoff auf Kohlekraft­werk, und fing beim Stromversorger Nord­westdeutsche Kraftwerke (NWK) am Stand­ort Lübeck-Siems an. Zwei Jahre lang half er zunächst bei Wartungsarbeiten aus, prüfte unter anderem Rohrleitungen. „Deren Iso­lierungen waren asbesthaltig. Damals war das Zeug überall“, erinnert sich Strauß.

Später wechselte er in die Fahrbereitschaft und kam dort nicht mehr mit Asbest in Be­rührung. Trotzdem nahm er das Angebot zur Vorsorge gerne an, als der Betriebsrat Anfang der Neunzigerjahre dafür warb. „Ich dach­te mir: Das ist ein sinnvolles Angebot“, sagt Strauß, der 2001 in den Vorruhestand ging.

Anfang 2020 stellte der Arzt bei der nachge­henden Vorsorge einen kontrollbedürftigen Lungen-Rundherd fest. Es folgten mehrere Zusatzuntersuchungen, die GVS band eine zweite Ärztin mit ein. Diese konnte schließ­lich Entwarnung geben: Die weiterführen­den Untersuchungen hatten den Verdacht auf Lungenkrebs nicht bestätigt. „Das war eine große Erleichterung und hat bewiesen, dass die Vorsorge auch nach dem Berufsle­ben sinnvoll ist“, sagt Strauß.

Zur Sicherheit wird der 75-Jährige seine Ein­ladung zur nachgehenden Vorsorge künftig jährlich erhalten statt wie bisher alle drei Jahre. „Da geh ich dann gerne hin, zumal ich mich immer gut betreut gefühlt habe“, sagt Strauß, „die regelmäßige Kontrolle schadet ja auch nicht – im Gegenteil!“

Porträt Thomas Strauß

Glück gehabt
Bei Thomas Strauß wurde im Vorsorgeprogramm eine Lungen­veränderung festgestellt. Nach mehreren Zusatzuntersuchungen war klar: Es ist kein Lungenkrebs.

50 Jahre Gesundheitsvorsorge (GVS) – ein chronologischer Überblick

In dem halben Jahrhundert ihres Bestehens hat sich die GVS ständig weiterentwickelt, um die Vorsorge so effektiv wie möglich zu gestalten.

1972

  • Errichtung der „Zentralen Erfassungsstelle asbeststaubgefährdeter Arbeitnehmer“ (ZAs) durch die gewerblichen Berufsgenossen­­schaften.
  • Einführung arbeitsmedizinischer Vorsorge­untersuchungen vor, während und nach der Asbestexposition und Organisation der Unter­suchungen nach gleichen und einheitlichen Kriterien.

1990 bis 1995

  • Systematische Erfassung ehemals asbest­staubexponierter Arbeitnehmer und Arbeit­nehmerinnen der ehemaligen DDR und Angebot nachgehender Untersuchungen.

Ab 2001

  • Einführung des maschinenlesbaren Untersu­chungsbogens, Umstellung auf ein PC-gestütz­tes Betriebssystem und Beginn der digitalen Bearbeitung der Erfassungs- und Untersu­chungsabläufe.

2002

  • Einführung nachgehender Untersuchungen für Personen, die künstlichem mineralischem Faserstaub der Kategorie 1 oder 2 (Aluminium­silikatwolle) ausgesetzt waren.

2007

  • Die ZAs wird in Gesundheitsvorsorge (GVS) umbenannt.
  • Inbetriebnahme eines Vorsorgeportals zur elektronischen Kommunikation zwischen Arzt und GVS.
  • PC-gestützte Erfassung der Untersuchungs­ergebnisse beim Arzt. Elektronische Über­mittlung der Untersuchungsergebnisse und Rechnungen.

2012

  • Überführung der Daten der „Zentralen Betreu­ungsstelle Wismut“ und vom „Arbeitsmedizini­schen Programm Wismut“ in die GVS.

2014

  • Erprobung des erweiterten Vorsorgeangebots zur Früherkennung von Lungenkrebs in drei Pilotregionen der GVS.

Ab 2017

  • Bundesweite Einführung des erweiterten Vorsorgeangebots zur Früherkennung von ­Lungenkrebs (EVA-Lunge) bei der GVS sowie den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.
  • Einrichtung einer zentralen Stelle für die radio­logische Qualitätssicherung im EVA-Lunge und Dokumentation der Ergebnisse aus EVA-Lunge (Vorsorgedokumentation) bei der GVS.

2018

  • Bündelung der Vorsorgedienste der gesetzli­chen Unfallversicherung unter dem Dach DGUV Vorsorge.
  • Der GVS wird die Organisation der nachgehen­den Vorsorge von Personen, die gegenüber sili­kogenem Staub exponiert waren, übertragen.

2019

  • Start des zentralen Meldeportals von DGUV Vorsorge. Über das Portal nehmen in der Regel Arbeitgeber ihre Meldungen zur nachgehenden Vorsorge online an die Vorsorgedienste vor. Unter bestimmten Voraussetzungen können sich auch Arbeitnehmende über das Portal ­­online anmelden.

2020

  • Die BG BAU beauftragt die GVS mit der Organi­sation der nachgehenden Vorsorge ihrer Ver­sicherten. Im zentralen Meldeportal von DGUV Vorsorge werden die Meldungen für Versicherte der BG BAU an die GVS weitergeleitet.

2021

  • Erweiterung des Meldeportals DGUV Vorsorge um ein Portal für Online-Meldungen der Unfall­versicherungsträger an die Vorsorgedienste im UV-Net.
  • Beginn der Übertragung des Versichertenbe­stands vom arbeitsmedizinischen Dienst der BG BAU an die GVS.

2021

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