Am 27. Januar 2020 meldet der Landkreis Starnberg in Bayern den ersten Coronafall in Deutschland. Ein Mitarbeiter eines Autozulieferers hat sich bei einer Kollegin angesteckt, die kurz zuvor aus China eingereist war. In Interviews gibt sich Gesundheitsminister Jens Spahn zuversichtlich: „Wir nehmen die Dinge sehr ernst, wir sind aber auch gut vorbereitet“. Ersteres lässt sich rückblickend nicht ernsthaft bestreiten, letzteres wird seitdem leidenschaftlich diskutiert. So deutet sich schon direkt zu Beginn der Coronapandemie das Thema an, das die Diskussion hierzulande prägen wird: Waren wir wirklich gut vorbereitet? Läuft alles so, wie es soll? Können wir Krise? Einig sind sich die vielen verschiedenen Stimmen eigentlich nur in einer einzigen Sache: 2020 war ein schreckliches Jahr.
Arbeitsschutz wird noch wichtiger
Die Coronapandemie war das beherrschende Thema des Jahres 2020 und ist es auch darüber hinaus. Sie betrifft alle Menschen unmittelbar und konkret, das macht sie so besonders. Sie betrifft alle Unternehmen mehr oder weniger stark und natürlich alle Berufsgenossenschaften, denn diese sollen Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmenden schützen. Mit aktuellen Zahlen lässt sich die Pandemie allerdings nur unzureichend erfassen: Denn auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie bleibt das Infektionsgeschehen weiterhin dynamisch. Was gestern galt, ist morgen vielleicht schon wieder überholt.
Ganz unabhängig von den Infektionszahlen zeigt sich aber in dieser Krise, wie wichtig funktionierender Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Betriebe ist. Wer hier auf gewachsene und stabile Strukturen zurückgreifen kann, tut sich auch mit den Herausforderungen der Pandemie leichter. Wie ernst die Unternehmen das Thema nehmen, lässt sich zum Beispiel daran erkennen, dass in 98 Prozent aller Betriebe mit spezifischen Arbeitsschutzregelungen die Geschäftsführung an deren Entwicklung und Umsetzung beteiligt ist. Solche spezifischen Regeln haben knapp 80 Prozent der Betriebe. Das ist ein Ergebnis der Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Ein anderes: Die Hälfte aller Betriebe hat die Anstrengungen zum Arbeits- und Infektionsschutz seit Krisenbeginn stark erhöht.
88 Prozent aller Betriebe haben Maßnahmen zur besseren Handhygiene eingeführt.
Quelle: IAB/BAuA 2020
Auf der Ebene der Unternehmen scheint das Krisenmanagement also zu funktionieren. Und wie sieht es im Land als Ganzem aus? Dazu muss man vergleichen, wie unterschiedliche Länder mit dem gleichen Problem umgehen und wie erfolgreich sie sind. Das ist insofern aussagekräftig, als dass viele Staaten mit ähnlichen Voraussetzungen in die Krise gegangen sind. Wo sich die Ergebnisse eklatant unterscheiden, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Hier zeigt sich nämlich, dass das eigene Handeln in der Pandemie einen großen Einfluss auf das Ergebnis hat. Corona trifft die ganze Welt, aber Corona trifft einzelne Länder unterschiedlich hart. Und das hat auch etwas mit Führung zu tun. Das beste Beispiel dafür sind wahrscheinlich die USA: Mit dem neuen Präsidenten hat das Land eine Kehrtwende vollzogen, von Leugnung und Ignoranz und dementsprechenden Infektions- und Todeszahlen hin zu wissenschaftlich fundiertem Handeln und einer schnellen, effizienten Impfkampagne.
Prozent aller Betriebe haben Maßnahmen zur Einhaltung des Sicherheitsabstands von mindestens 1,5 Meter ergriffen.
Quelle: IAB/BAuA 2020
Setzt man diesen Maßstab an, dann ist Deutschland vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Hierzulande sind weniger Menschen gestorben als in den meisten anderen europäischen Ländern, den USA oder lateinamerikanischen Ländern. Die Wirtschaftsleistung ist weniger stark gesunken als zum Beispiel in Frankreich, Italien oder Spanien, die Zahl der Arbeitslosen ist dank Kurzarbeit insgesamt nur moderat gestiegen. Auch im Bereich des Arbeitsschutzes wurde schnell reagiert: Bereits im April 2020 stellte Arbeitsminister Hubertus Heil einen einheitlichen Arbeitsschutzstandard für Corona vor. Dieser betonte die hohe Bedeutung des Arbeitsschutzes auch für den Infektionsschutz und gab konkrete Hinweise zu betrieblichen Vorkehrungen, zum Beispiel zu Sicherheitsabständen oder Hygienemaßnahmen. Der einheitliche Standard wurde im Anschluss dann von den Berufsgenossenschaften für die einzelnen Branchen angepasst. Deutschlands Strukturen haben sich im Großen und Ganzen also als stabil erwiesen.
Nicht alle trifft Corona im gleichen Maß
Vergleichsweise gut heißt aber auch: Nicht alles ist optimal gelaufen. Auch hier hilft der Vergleich mit anderen Ländern. So haben Singapur oder Taiwan, Südkorea oder Japan viel weniger Tote zu beklagen. Und was das Impfen angeht, so sind zum Beispiel die USA, Großbritannien, Israel oder Chile deutlich schneller. Auch innerhalb Deutschlands sind Menschen und Unternehmen ganz unterschiedlich von der Krise betroffen. Einige kommen gut durch diese Zeit, andere leiden sehr.
Diese Spannbreite zeigt sich auch bei den Mitgliedsunternehmen der BG ETEM: Während die Textilindustrie zum Beispiel massive Umsatzrückgänge erlitten hat und weiterhin stark durch die Coronamaßnahmen eingeschränkt wird, haben Elektroinstallationsbetriebe oder Betriebe der Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgung 2020 nach den Daten des statistischen Bundesamts im Durchschnitt sogar noch zugelegt.
Die Coronapandemie ist ein Treiber für Veränderungen in der Arbeitswelt.
Wie beeinflusst Corona Ihre Unternehmensstrategie?
Anteil deutscher Unternehmen, die folgende Strategien wegen der Coronapandemie verfolgen:
Was wird die Zeit nach der Coronakrise überdauern, glauben Sie?
Einschätzung von Arbeitnehmenden, welche Veränderungen dauerhaft sein werden, April und Oktober 2020
Arbeiten im Home-Office
Anteil der Arbeitnehmenden, die während der Coronapandemie von zuhause arbeiten
Digitale Lernangebote
Anteil von Befragten ab 14 Jahren, die digitale Lernangebote nutzen
Quellen:
Statista/World Economic Forum (Strategien);
Avantgarde Experts (Veränderungen);
Statista/Hans-Böckler-Stiftung (Home-Office);
D21 Digitalindex 2020/2021 (Lernangebot)
Was die Pandemie uns lehren kann
Corona ist nicht die erste Pandemie der Geschichte, und sie wird, glaubt man den Fachleuten, auch nicht die letzte sein. Eine Jahrhundertkrise ist sie allemal. Und wie jede Krise, so behaupten es unzählige Managementratgeber und Wandkalender, sei sie auch eine Chance. Das klingt allerdings nicht nur zynisch, das ist es auch. Und ein wenig zu platt. Denn eine Krise, die unerwartet als Naturgewalt von außen kommt, ist etwas anderes als eine, die man selbst verschuldet hat. So scheitern in der Coronapandemie auch erfolgreiche Unternehmen, die bis zum ersten Lockdown im März 2020 objektiv betrachtet keinerlei Grund hatten, sich und ihr Geschäftsmodell kritisch zu hinterfragen. Wenn ich einen Friseursalon betreibe, mache ich keinen Plan B, wie ich mit mehreren Monaten behördlich verordneter Schließung umgehe. Diesen Plan mache ich erst dann, wenn es unglücklicherweise soweit ist.
66 Prozent aller Betriebe ordnen das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen an.
Quelle: IAB/BAuA 2020
Wenn Corona aber nun keine Chance ist, was dann? Wie können wir die Coronapandemie verstehen und deuten, sodass wir nicht irgendwann mit dem Gefühl herausgehen, die Zeit sei einfach nur verloren? Dafür bietet sich der Begriff des Brennglases an, der Lupe. Und diese Lupe legt den Fokus gnadenlos auf das, was nicht so gut funktioniert. Corona ist deshalb auch ein Katalysator, ein Treiber. Ein Treiber für Veränderungen, die notwendig sind, aber in guten Zeiten immer wieder auf die lange Bank geschoben werden. Stichwort Digitalisierung. Stichwort Arbeitsbedingungen. Stichwort Konsum. Stichwort Mobilität. Wer – wie unsere Gesellschaft zurzeit – diese Themen durch die Lupe Corona betrachtet, erkennt genau, wo die Probleme liegen.
Und dann geht es manchmal auch sehr schnell. So wurden die Zustände in der deutschen Fleischindustrie schon seit Jahren von verschiedenen Seiten kritisiert. Vergeblich. An dem System aus massenhaften Werksverträgen, vornehmlich aus dem Ausland geholten Arbeitskräften, schlechten Wohnbedingungen und harter, langer Arbeit änderte sich nichts. Es brauchte eine Reihe von Coronamassenausbrüchen unter den Arbeiterinnen und Arbeitern in diesen Fleischfabriken, um in der Politik ein Umdenken zu bewirken. Das Ergebnis ist das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz. Es verbietet Werkverträge und Zeitarbeit in der Fleischindustrie grundsätzlich. Ein überfälliger Schritt, auch für mehr Sicherheit und Gesundheit. Denn als Angestellte genießen die Mitarbeitenden jetzt deutlich mehr Rechte als als selbstständige Subunternehmer. Und sind bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten über ihre Berufsgenossenschaft umfassend abgesichert.
Wir passen unser Verhalten notgedrungen an
Arbeit ist insgesamt ein Bereich, der sich in der Pandemie stark verändert hat. Da ist das Home-Office, das inzwischen für viele zum Alltag gehört. Oder Videokonferenzen, die von fast einem Drittel der Deutschen regelmäßig verwendet werden. Unternehmen investieren auch in die digitale Infrastruktur: So gaben in einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom 75 Prozent der befragten Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden an, sie hätten aufgrund ihrer Erfahrungen in der Krise die Investitionen in digitale Geräte, Technologien und Anwendungen erhöht. Weniger als ein Prozent der Unternehmen gab an, dass die Coronakrise keinerlei Auswirkungen auf die Digitalisierung gehabt habe.
Mehr Digitalisierung bedeutet auch weniger Geschäftsreisen. Die finden wegen der Pandemie ohnehin nur in begrenztem Umfang statt, in einigen Unternehmen sind sie vorübergehend sogar gänzlich ausgesetzt. Auch nach Ende der Coronapandemie werden viele Unternehmen die Zahl der Geschäftsreisen dauerhaft senken, so Fachleute, und zwar sowohl aus Umweltschutz- wie aus Kostengründen. Letztlich zeigen die Zahlen aber vor allem eines: Unternehmen wie Mitarbeitende passen sich an die Krise an, um besser mit ihr umgehen zu können – und um sie zu überstehen.
Das Ziel ist nicht Unverwundbarkeit
Diese Fähigkeit, mit Veränderungen umgehen zu können und dabei handlungsfähig zu bleiben, nennt man Resilienz. Sie ist eine Schlüsselfähigkeit in einer Krise wie der Coronapandemie. Das sieht auch das Leibniz Institut zur Resilienzforschung (LIR) aus Mainz so: „Wir gehen davon aus, dass Menschen über vielfache Ressourcen verfügen, mit Stress und Belastungen umzugehen. Die Wirkung solcher Schutz- und Selbstheilungskräfte äußert sich im besten Fall im Phänomen der Resilienz. Resilienz besteht, wenn Individuen in großen psychischen oder körperlichen Stresssituationen ihre psychische Gesundheit aufrechterhalten oder diese nach einer kurzen Phase von Belastungssymptomen rasch wiederherstellen können.“
Resilienz heißt also nicht, keine Belastungen zu empfinden – sondern mit bestehenden Belastungen gut umgehen zu können: „Belastbarkeit ist damit nicht einfach die Unempfindlichkeit gegen Stress, sondern Folge eines aktiven und dynamischen Anpassungsprozesses“, so das LIR. Man könnte auch den Begriff „Krisenfestigkeit“ verwenden. Und diese Krisenfestigkeit besteht gerade darin, die Belastung anzuerkennen und sich gleichzeitig darauf einzustellen zu können. Stabilität entsteht durch Veränderung, so paradox das klingt. Das klassische Bild der festen Burg oder des Fels in der Brandung führt also in die Irre – denn Stabilität im oben genannten Sinne ist mehr als nur passiver Widerstand gegen Gefahren von außen.
Auch Unternehmen oder Organisationen wie Berufsgenossenschaften können resilient sein. In diesem Fall spricht man von organisationaler Resilienz. Laut der BAuA ist organisationale Resilienz die Fähigkeit, „die Funktionalität einer Organisation aufrechtzuerhalten oder nach einer Störung schnellstmöglich wiederherzustellen.“ Resilienz eines Unternehmens oder einer Organisation bedeutet also analog zur Resilienz des einzelnen Menschen Krisenfestigkeit, Flexibilität und Belastbarkeit. Maßnahmen, die dazu beitragen können, sind laut BAuA zum Beispiel Verbesserung von Kommunikationsstrukturen, Qualifizierungsmaßnahmen, mehr Handlungsspielraum für Mitarbeitende sowie Pufferbildung, zum Beispiel im Bereich Personal. Resiliente Organisationen können auf Krisen besser reagieren, weil sie agiler und flexibler sind. Natürlich ist es auch wichtig, insgesamt gut aufgestellt zu sein und mögliche Risiken in die eigenen Planungen einzubeziehen. Es ist allerdings allein nicht ausreichend.
Es gibt seit ein paar Jahren sogar eine Norm für organisationale Resilienz: die DIN EN ISO 22301. Sie „legt Anforderungen fest, um ein Managementsystem zu verwirklichen, aufrechtzuerhalten und zu verbessern, um sich gegen Störungen zu schützen, die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens zu vermindern, sich auf diese vorzubereiten, auf diese zu reagieren und sich von diesen zu erholen, wann immer sie auftreten“, so das Deutsche Institut für Normung e. V. auf seiner Website dazu.
Eine Geschichte voller Veränderung
Wenn organisationale Resilienz also bedeutet, dass Organisationen auch unter widrigen Bedingungen weiter funktionieren, dann sind die Berufsgenossenschaften außerordentlich resiliente Organisationen. Denn in ihrer inzwischen 136-jährigen Geschichte mussten sie mit vielen Krisen und Umbrüchen fertig werden. 136 Jahre Geschichte, das bedeutet allein 5 verschiedene Deutschlands: Kaiserreich, Weimarer Republik, Nazideutschland, Westdeutschland, wiedervereinigtes Deutschland. Nur in der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR gab es keine Berufsgenossenschaften. Hier gingen sie im Sommer 1945 in der sogenannten Einheitsversicherung auf und kamen erst mit der Wiedervereinigung zurück.
136 Jahre Geschichte, das bedeutet auch jede Menge große geschichtliche Ereignisse, Umbrüche und Krisen: erster Weltkrieg, demokratische Revolution, Spanische Grippe, Hyperinflation, zweiter Weltkrieg, Bau der Mauer, Ölkrise, Wiedervereinigung, Einführung des Euro – und jetzt die Coronapandemie. Immer mit dabei: die Berufsgenossenschaften. Sie haben es geschafft, sich stets an die veränderten Gegebenheiten anzupassen und sich dabei ständig weiterzuentwickeln.
34 Prozent aller Betriebe haben Arbeitszeit und Pausen verändert, um Kontakte untereinander zu verringern.
Quelle: IAB/BAuA 2020
Teilweise waren die Ereignisse für die Berufsgenossenschaften durchaus existenzbedrohend, vor allem in der Anfangsphase ihrer Geschichte: So bedeutete die Hyperinflation 1923 auch für die Berufsgenossenschaften eine fast völlige Entwertung ihres Vermögens. Und während der Weltwirtschaftskrise nur wenige Jahre später wurde das Geld wieder knapp. So knapp, dass der Staat per Notverordnung Leistungskürzungen in erheblichem Ausmaß einführte. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endete die Selbstverwaltung in ihrer damaligen Form. Die Berufsgenossenschaften setzten ihre Arbeit aber auch in der Nazizeit und während des zweiten Weltkriegs fort. Mit Ende des Weltkriegs erlebten die Berufsgenossenschaften einen erneuten Umbruch. Ganz gesichert war ihre Existenz erst, als 1949 das Grundgesetz in Kraft trat – darin sind die Berufsgenossenschaften als bundesunmittelbare Körperschaften öffentlichen Rechts definiert.
Mit Recht und nicht ohne etwas Stolz und Pathos heißt es deshalb 1985 im Vorwort des Buches „100 Jahre Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik“ mit Bezug auf diese lange Geschichte: „Die Berufsgenossenschaft, [...] inzwischen 100 Jahre alt geworden, hat diesen Zeitraum in all seinen Höhen und Tiefen durchschritten. Sie hatte mit ihrer Arbeit vollen Anteil an allen Veränderungen, und sie hatte sich immer aufs Neue den rasch wechselnden Anforderungen zu stellen.“ Doch 1985 war die Geschichte der Veränderungen noch nicht zu Ende. Das neue Jahrtausend war für die Berufsgenossenschaften geprägt durch den politischen Druck zur Fusionierung: Im Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz von 2008 wurde festgelegt, dass von den 23 damals noch existierenden gewerblichen Berufsgenossenschaften 2010 nur noch neun übrig bleiben sollten. Eine davon war die BG ETEM, sie nahm am 1. Januar 2010 den Betrieb auf. 2020 war also das Jahr ihres 10-jährigen Bestehens – und gleichzeitig der Beginn der größten Herausforderung in ihrer noch jungen Geschichte.
Im Zentrum stehen die Mitgliedsbetriebe
Wie für alle Mitgliedsbetriebe und deren Mitarbeitenden war 2020 auch für die BG ETEM ein Jahr der außergewöhnlichen Belastungen. Als Berufsgenossenschaft befindet sie sich in einer Doppelrolle: Einerseits muss sie die Mitgliedsbetriebe mit allen Kräften unterstützen, damit diese auch in der Pandemie sicheres und gesundes Arbeiten gewährleisten können, andererseits ist die BG ETEM auch selbst Arbeitgeberin und damit verpflichtet, ihre Mitarbeitenden zu schützen.
136 Jahre Einsatz für mehr Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.
Pionierarbeit leisten
7. Januar 1885
Erste Berufsgenossenschaft, die Buchdruck-BG, wird gegründet.
Über Gefahren aufklären
7. Mai 1886
Erste Unfallverhütungsvorschrift (von BG der Musikinstrumente-Industrie)
1. Juni 1887
Erste Aufsichtspersonen (Technische Beauftragte)
Körper und Geist schützen
15. Februar 1890
Erste Berufsgenossenschaftsklinik (Bergmannsheil Bochum)
2. Januar 1891
Erste Rehabilitationseinrichtung (Heimstätte für Unfallverletzte)
Bestmöglich handeln
22. Februar 1951
Erstmals paritätische Selbstverwaltung in der Berufsgenossenschaft
1. Januar 2010
Durch Fusion entsteht die BG ETEM, eine der neun BG in Deutschland
Im Zentrum der Überlegungen standen und stehen natürlich die Mitgliedsbetriebe und deren Herausforderungen. Um die vielen Fragen rund um das Thema Corona und Arbeitsschutz zu beantworten, schaltete die BG ETEM beispielsweise direkt zu Beginn der Krise eine Hotline. Sie ist auch heute, mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie, weiter erreichbar. Präventionsfachleute der BG ETEM beantworten hier Fragen zu Sicherheit und Gesundheit im Hinblick auf Corona. Nachdem im April die allgemeinen Arbeitsschutzstandards für das Arbeiten in der Coronapandemie vorgestellt wurden, passte die BG ETEM diese im Anschluss an die Gegebenheiten der einzelnen Branchen ihrer Mitgliedsbetriebe an, um jeweils spezifische Hilfestellungen geben zu können. Im Internet bietet die BG ETEM zur Coronapandemie rund 30 branchenspezifische Informationen und Handlungshilfen sowie 24 ergänzende Gefährdungsbeurteilungen in Form von Checklisten an, die laufend aktualisiert werden. Informationen gibt es auch zu branchenübergreifenden Themen wie Home- Office. Darüber hinaus bietet die BG ETEM für ihre Mitgliedsbetriebe Plakate und Aushänge an.
22 Prozent aller Betriebe haben Maßnahmen eingeführt, die mögliche individuelle Belastungen von Beschäftigten berücksichtigen, wie etwa hohe Arbeitsintensität oder verstärkte Konflikte mit Kunden.
Quelle: IAB/BAuA 2020
Auch finanzielle Stabilität ist wichtig
Auch finanziell kam die BG ETEM ihren Mitgliedsbetrieben so weit es ging entgegen. Bereits im März 2020 erklärte Johannes Tichi, Vorsitzender der Geschäftsführung der BG ETEM: „Wir werden den gesetzlichen Rahmen für die Stundung des Mitgliedsbeitrags ausschöpfen, um außergewöhnliche Härten abzufedern.“ Im Mai beschloss der Vorstand der BG ETEM dann, den Beitragsfuß gegenüber den beiden Vorjahren unverändert zu lassen. Der Beitragsfuß ist eine Rechengröße, die gemeinsam mit der Gefahrklasse des Betriebs und seiner Lohnsumme zur Berechnung der Beitragshöhe dient. „Das ist nur möglich, weil wir in der Vergangenheit immer das Ziel verfolgt haben, einen langfristig stabilen Beitrag für unsere Mitgliedsunternehmen zu gewährleisten“, erläuterte Dr. Bernhard Ascherl, alternierender Vorstandsvorsitzender der BG ETEM, damals die Entscheidung.
Und im Dezember wurde schließlich der neue Haushaltsplan beschlossen, der trotz teilweise deutlichen Kostensteigerungen insgesamt im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 0,14 Prozent anwuchs. Stabilität bedeutet eben auch finanzielle Stabilität, insbesondere in einer Krise wie dieser, die mit dauerhaften, großen Einschränkungen der Geschäftstätigkeit einhergeht. Ziel sei deshalb, so Johannes Tichi, „einen stabilen Mitgliedsbeitrag im kommenden Jahr zu erreichen – natürlich ohne Abstriche bei den Leistungen für Mitgliedsbetriebe und ihre Beschäftigten.“
Aber auch für die BG ETEM selbst, für ihr Angebot und ihre Mitarbeitenden hat sich im letzten Jahr einiges geändert. Die Arbeit bei der BG ETEM steht natürlich genauso im Zeichen der Pandemie wie bei allen anderen Unternehmen und Organisationen auch. Soll heißen: viel Home-Office, kaum Dienstreisen, dafür viele Video- und Telefonkonferenzen, Hygienekonzepte für die Arbeit an den Standorten. So weit, so normal. Dazu kommt aber, dass viele Angebote der BG ETEM in der Pandemie aus Infektionsschutzgründen nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Hier mussten schnell gute Alternativen zum bewährten Angebot gefunden werden.
Mit Flexibilität auf die Krise reagieren
Hier zeigte sich, dass nicht nur in der Privatwirtschaft schnell und unbürokratisch Lösungen gefunden werden können. Überall in der BG ETEM wurden im Zuge der Pandemie neue Standards und Prozesse erarbeitet, um den Auftrag gegenüber den Mitgliedsbetrieben auch unter Coronabedingungen erfüllen zu können. Ein persönlicher Besuch im Betrieb ist nicht möglich? Dann wird eben per E-Mail oder Telefon beraten. Auch die Ermittlung in Berufskrankheitenverfahren erfolgte aus Infektionsschutzgründen teilweise so. Versicherte, deren Behandlung aufgrund der Pandemie beeinträchtigt worden war, wurden umso intensiver telefonisch betreut, um Ängste und Sorgen zu nehmen.
Wo möglich, wurden digitale Prozesse und Medien verwendet oder neu eingeführt. Im Bereich Qualifizierung sorgte die Pandemie sogar für einen digitalen Sprung: Schon während des ersten Lockdowns liefen die ersten Onlineseminare an, weil die Dozentinnen und Dozenten ihre Präsenzveranstaltungen binnen kürzester Zeit als Onlineseminare neu konzipierten. Die zweimal pro Jahr stattfindenden Vertreterversammlungen der BG ETEM fanden ausschließlich digital statt, genauso wie die große Vortragsveranstaltung Elektrotechnik am 8. Dezember 2020. Auch Webinare werden inzwischen angeboten. Alles Veränderungen, die auch nach der Coronakrise Bestand haben werden.
Was bleibt, ist das Fazit: In der Coronapandemie beweisen nicht nur die deutschen Unternehmen, sondern auch Berufsgenossenschaften wie die BG ETEM viel organisationale Resilienz – weil Führung und Mitarbeitende an einem Strang ziehen und alle Beteiligten viel Motivation, Kreativität und Problemlösungskompetenz beweisen.
Diesen Beitrag teilen